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Pandora

V2.0

 

Sehr geehrter Student32!

 

Eigentlich wollte ich mich gerade, nachdem ich für meine Frau Blumenerde geholt habe, an den Computer setzen, um die Script-Sprache AutoIt zu erlernen (s. c't Nr. 10, 2008), mit der man langweilige Routineaufgaben in Windows automatisieren kann. Da las ich Ihren Beitrag, der mich sofort in Beschlag nahm, da hier wichtige Aspekte unseres Jakob-Problems in einer diskussionswürdigen Art angesprochen werden. Viel Zeit habe ich allerdings nicht, da um 12 Uhr unsere Berner Sennenhündin Lubina wieder dran ist.

 

Sie werden sich sicher über den Titel "Pandora" wundern. In meinem Beitrag "Weichei an Weichei" lasse ich einen Richter sagen:

 

"So hab ich voreilig und unüberlegt die Büchse der Pandora geöffnet und somit das Böse in die Welt entlassen. Die Würde des Menschen ist zur Chimäre geworden!"

 

Ich meine damit die Richter des Frankfurter Landgerichtes, die im Abwägungsprozess allein den beiden Polizisten Daschner und Ortwin E. ein Verschulden anlasteten. Sie haben damit, so wie ich es sehe, tatsächlich die Büchse der Pandora geöffnet und somit uns allen ein äußerst schwierig zu lösendes Problem hinterlassen, dem wir uns nun nicht mehr entziehen können. Bis dahin sind solche Fälle unter "rechtfertigenden Notstand" oder "übergesetzlichen Notstand" abgeurteilt und die beteiligten Polizisten freigesprochen worden.

 

Nun aber muss der Staat Farbe bekennen:

 

Opfer oder Verbrecher? Wen schütze ich? Kann ich mich mit dem Hinweis davonstehlen, dass die Würde des Menschen "abwägungsfest" ist, so wie es der Verfassungsrichter Prof. Hassemer nicht müde wird zu behaupten? Was ist eigentlich diese Würde? Darf ich dafür ein Leben opfern, nur weil ich zu ängstlich bin, mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen umzugehen? Ist unsere Demokratie wirklich so realitätsfern, dass in ihr Prinzipien zur Prinzipienreiterei verkommen, und unschuldige Verbrechensopfer dafür im Stich gelassen werden?

 

Lassen Sie uns bitte später weiter diskutieren. Lubina wartet.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Ihr

 

Ulrich Perwass

 

Sehr geehrter Student32!

 

Nun also weiter.

Wir müssen uns jetzt mit dem Jakob-Problem deshalb weiterhin beschäftigen, da das Urteil des Landgerichtes Frankfurt eine völlig neue Ausgangslage geschaffen hat. Jakobs Überlebenssituation ist sehr viel schlechter geworden, da die Gefahr, dass die Nothilfe durch den verhörenden Beamten in Zukunft immer als Verfehlung geahndet werden wird, die Überlebenschancen Jakobs drastisch verringert hat. Welcher Polizeibeamter wollte sich und seiner Familie die Folgen zumuten? Herr Daschner und der Hauptkommissar Ortwin E. haben das getan und deshalb ist ihnen Anerkennung zu zollen.

Sie haben nicht gefoltert, sie haben um Jakobs Leben gekämpft!

 

Kampf um das Leben eines Verbrechensopfers, Kampf um die Würde Jakobs! Wofür kämpft der Verfassungsrichter Hassemer? Seine Interviewäußerungen sind zumindest undifferenziert.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil über das NRW-Verfassungsschutzgesetz klare Schranken für die Rechte des Menschen aufgezeigt:

 

Leib, Leben, Freiheit und Grundlagen menschlicher Existenz!

 

Worüber also streiten wir uns noch? Was hindert uns jetzt noch daran, eindeutige Gesetze zum Schutze Jakobs zu erlassen oder ganz einfach, bestehende anzuwenden? Die Vorschriften der Notwehr und Nothilfe, die bereits durch eine Vielzahl von Rechtsgelehrten als Ausweg aus dem Dilemma aufgezeigt worden sind, müssen nur durch die Gerichte auch angewendet werden! Herr Professor Hassemer! Wie wär's mit einer Klarstellung?

 

Sehr geehrter Student32,

Sie haben die nicht unberechtigte Sorge, dass die Rettungsfolter, so wie Sie den Rettungskampf nennen, ausufert und daraus eine Atmosphäre entsteht, die Folter begünstigen könnte.  Glauben Sie wirklich, dass die Polizei sich durch eine ganze Stadt durchprügeln würde, um einen Hinweis auf Jakob zu erhalten? Ist etwa aus dem finalen Rettungsschuss eine Möglichkeit des Massakers an unliebsamen Personengruppen geworden? Wir sind doch schließlich eine Demokratie, in der die Kontrollfunktionen in Ordnung sind! Oder?

 

Gewalt ist ein Staatsmonopol, das kontrolliert und  argwöhnisch beobachtet werden muss! Es muss  dort kompromisslos eingesetzt werden, wo unser Leben, unsere Existenz gefährdet ist. Neben der Strafverfolgung ist die Gefahrenabwehr die zweite wichtige Aufgabe der Polizei. Im Entführungsfall Jakob sind naturgemäß beide Aufgaben ineinander verwoben, aber in dem Augenblick, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit klar wird, dass dem vernehmenden Beamten jemand gegenüber sitzt, der zur Rettung Jakobs beitragen kann, tritt der Aspekt der Strafverfolgung in den Hintergrund und die Gefahrenabwehr mit allen Konsequenzen in den Vordergrund. Dies ist der Punkt im Verfahren, wo der Staat Flagge zeigen muss und sich nicht hinter Prinzipien und hehren Würden verstecken darf  und Jakob zuruft:

 

"Tut mir leid,

bis hierher und nicht weiter, da sonst meine Welt- und Werteordnung Risse bekommt!"

 

Dieses umsichtige Erkennen und Einschätzen der Situation ist das, was ich von der Professionalität eines Polizisten erwarte, nicht das Überhören des Weinens und Flehens des Opfers, so wie Sabine Rückert es in einem ZEIT-Artikel gefordert hat! Beide Polizeibeamte, sowohl Herr Daschner als auch Herr Ortwin E. haben die geforderte Professionalität  gezeigt und umsichtig eine Atmosphäre aufgebaut, die den Entführer veranlasste, Jakob freizugeben. Folter?

 

Der einzige, der gefoltert wurde, war Jakob!

 

Sehr geehrter Student32,

helfen Sie mit, dass Jakob gerettet wird! Verweigern Sie nicht Ihre Mitarbeit mit Hinweis auf Gewalt und Folter! Differenzieren Sie und weigern Sie sich nicht Gefühle zu zeigen, die Leben retten können! Der Mensch ist ein soziales Wesen und erst Gefühle machen ihn zum Menschen in der Gemeinschaft!

 

Es grüßt Sie

 

Ulrich Perwass 

 

 

 

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